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Josuas langer Tag

Gab es ihn wirklich – und falls ja, was genau spielte sich ab?

von 
übersetzt von Paul Mathis

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Die Schlüsselfrage in jeder Diskussion über die Bedeutung schwieriger Bibelstellen ist: Was wollte der Autor vermitteln? Josua dokumentiert sehr detailliert die Besetzung Kanaans durch Israel und die Aufteilung des Landes unter den Stämmen um 1400 v. Chr., so dass der Autor offensichtlich einen historischen Bericht über das Geschehene schreibt. Die Begebenheit des „langen Tages“ fand während eines Kampfes zwischen den vereinten Armeen der fünf amoritischen Könige und der Armee Israels statt, zu Beginn dieses Feldzugs.1 Mit Gottes Hilfe gewannen die Israeliten den Kampf, brauchten aber an diesem Tag mehr Zeit für einen vollständigen Sieg.

In Josua 10,11-13 steht: „Und es geschah, als sie vor Israel flohen und am Abhang von Beth-Horon waren, da ließ der HERR große Steine vom Himmel auf sie fallen bis Aseka, sodass sie starben; und die Zahl derer, die durch die Hagelsteine starben, war größer als die Zahl derer, welche die Söhne Israels mit dem Schwert umbrachten. Da redete Josua zu dem HERRN an dem Tag, als der HERR die Amoriter vor den Söhnen Israels dahingab, und sprach in Gegenwart Israels: Sonne, stehe still in Gibeon, und du, Mond, im Tal Ajalon! Da stand die Sonne still, und der Mond blieb stehen, bis sich das Volk an seinen Feinden gerächt hatte. Ist dies nicht geschrieben im Buch des Aufrichtigen?2 So blieb die Sonne mitten am Himmel stehen und eilte nicht unterzugehen, beinahe einen ganzen Tag.“

Es ist offenbar mittags oder nachmittags gewesen (auf Hebräisch: Sonne mitten am Himmel).3 Und der Autor teilt uns mit, dass die Sonne für den Zeitraum eines vollen Tages nicht untergegangen ist, was viele Kommentatoren für einen Zeitraum von etwa 24 Stunden, und nicht nur für eine Tageslicht-Periode halten.

Viele Kulturen haben Legenden, die auf diesem Ereignis zu basieren scheinen. Zum Beispiel gibt es einen griechischen Mythos von Apollos Sohn Phaethon, der den Lauf der Sonne für einen Tag unterbrach. Und da Josua 10 historisch ist, sollten Kulturen auf der anderen Seite der Welt Legenden über eine lange Nacht haben. Tatsächlich haben die neuseeländischen Maori einen Mythos darüber, wie ihr Held Maui die Sonne verlangsamt hat, bevor sie aufging, während die mexikanischen Annalen von Cuauhtitlan (die Geschichte des Imperiums von Culhuacan und Mexiko beschreibend) eine Nacht erwähnen, die sich über einen längeren Zeitraum hinzog.4

Es sei auch darauf hingewiesen, dass die Amoriter Sonnen- und Mondverehrer waren. Dass diese „Gottheiten“ gezwungen wurden, dem Gott Israels zu gehorchen, muss für die Amoriter eine erschütternde Erfahrung gewesen sein, und das könnte auch der Grund dafür gewesen sein, dass Gott dieses besondere Wunder zu dieser Zeit, d. h. kurz vor Beginn der Besetzung des Landes Kanaan durch die Israeliten, vollbracht hat.5

Geozentrismus und eine auf dem äußerlichen Erscheinungsbild beruhende Sprache

Josuas Befehl an die Sonne, stillzustehen, unterstützt nicht den Geozentrismus, d. h. die Vorstellung, dass sich die Sonne um die Erde bewegt. Die Bibel verwendet stattdessen eine Sprache, die auf dem äußerlichen Erscheinungsbild und der Beobachtung beruht.6

Heutzutage tun wir genau Dasselbe. Wissenschaftler, die Wetterberichte für das Fernsehen vorbereiten, kündigen beispielsweise die Zeiten von „Sonnenauf- und Sonnenuntergang“ an. Tatsächlich scheint die Erwähnung des stillstehenden Mondes sowohl die göttliche Urheberschaft des Berichts als auch die Tatsache zu bestätigen, dass es die Erde ist, die sich bewegt. Da Josua nur zusätzliches Sonnenlicht brauchte und die meisten Menschen der Antike glaubten, dass sich die Sonne bewegt, nicht die Erde, hätte ein menschlicher Autor eines fiktiven Berichts nur auf das Anhalten der Sonne eingehen müssen (anstatt auch auf das Anhalten des Mondes, Anm. d. Übers.).7 

Die NASA und der fehlende Tag

Von Zeit zu Zeit taucht ein Gerücht auf, dass Wissenschaftler, die bei der NASA „Computer benutzten“, um Planetenpositionen zu überprüfen, entdeckten, dass ein Tag in der Geschichte „fehlte“.

Diese Geschichte ist ein „moderner Mythos“. Die angebliche Forschung scheint nie veröffentlicht worden zu sein – kein Wunder, denn um eine solche Berechnung durchzuführen, müsste man die Positionen der Planeten vor und nach einem fehlenden Tag kennen. Das ist unmöglich.

Ähnliche Überlegungen gelten für das Buch Joshua‘s Long Day, das 1890 von Charles Totten geschrieben wurde und angeblich beweist, dass ein Tag verloren ging, ohne seine Berechnungen zu dokumentieren. Alle diese Berechnungen können nur zeigen, wo Sonne und Mond zu irgendeinem Zeitpunkt in der Vergangenheit hätten sein sollen (basierend darauf, wo sie sich jetzt befinden, vorausgesetzt, die Bewegungsraten haben sich nicht verändert), und nicht, wo sie sich tatsächlich befanden.8

Was ist wirklich vor sich gegangen?

Die vorgeschlagenen Antworten können in drei Hauptkategorien eingeteilt werden:

  1. Eine Form der Brechung (Beugung) des Sonnen- und Mondlichts. Dieser Ansicht nach veranlasste Gott auf wundersame Weise, dass das Sonnen- und Mondlicht in Kanaan für „etwa einen ganzen Tag“ fortbestand. Unterstützer dieser Ansicht verweisen darauf:9

    1. Josua brauchte Licht, nicht eine Verlangsamung der Erde.
    2. Gott versprach Noah, dass „solange die Erde bleibt … Tag und Nacht nicht aufhören wird“ (1. Mose 8,22). Dies könnte bedeuten, dass Gott versprochen hat, dass die Erde bis zum Ende der Menschheitsgeschichte nicht aufhören wird, sich um ihre Achse zu drehen. (Allerdings ist damit nicht ausgeschlossen, dass die Erdrotation vorübergehend verlangsamt wird.)
    3. Eine Form der Lichtbrechung scheint das gewesen zu sein, was während der Herrschaft von Hiskia geschah, als der Schatten auf Ahas Sonnenuhr um zehn Stufen zurückging (2. Könige 20,11) —ein Ereignis, das nur im Land Israel stattgefunden zu haben scheint (2. Chronik 32,31).
  2. Eine Schwankung der Erdrotationsachse.

    Dies erfordert eine Präzession10 der Erdachse, die langsam taumelt, um dabei einen S- oder kreisförmigen Weg am Himmel zu beschreiben. Ein solches Ereignis hätte einem Beobachter den Eindruck vermitteln können, dass die Sonne und der Mond stillstanden, hätte aber keine tatsächliche Verlangsamung der Erdrotation mit sich bringen müssen.

    Eine Vermutung ist, dass dies dadurch verursacht wurde, dass die Umlaufbahnen von Erde und Mars an diesem Tag eng beieinanderlagen.1 Ein Problem dabei ist, dass die Urheber dieser Idee eine Umlaufbahn für den Mars postulieren, die sich von der heutigen unterscheidet, und es gibt keinen Beweis dafür, dass dies jemals der Fall war. Weitere vorgeschlagene Ursachen sind Asteroideneinschläge auf der Erde.

  3. Eine Verlangsamung der Erdrotation.

    Dieser Ansicht nach veranlasste Gott die Rotation der Erde, sich zu verlangsamen, so dass sie statt in 24 in ungefähr 48 Stunden eine volle Umdrehung vollzog. Gleichzeitig stoppte Gott die katastrophalen Auswirkungen, die natürlicherweise aufgetreten wären, wie zum Beispiel monströse Flutwellen. Einige haben sich dagegen ausgesprochen, weil sie irrtümlicherweise angenommen haben, dass Menschen und lose Gegenstände, wenn sich die Erde verlangsamt, in den Weltraum fliegen würden. Tatsächlich beträgt die wahrnehmbare Zentrifugalkraft (die dazu neigt, Dinge von der Erde zu schleudern) nur etwa ein Dreihundertstel der Schwerkraft. Wenn die Erde aufhörte, sich zu drehen (ob plötzlich oder nicht), würde diese nach außen gerichtete „Kraft“ aufhören, und wir würden durch die Schwerkraft noch fester gehalten werden.

    Die Erde bewegt sich am Äquator mit etwa 1.600 km/h (1.000 mph). Die Geschwindigkeit, die benötigt wird, um der Schwerkraft der Erde zu entkommen, beträgt etwa 40.000 km/h (25.000 mph) – wenn sich die Erde mit dieser Geschwindigkeit drehen würde, würden wir sowieso alle ins All fliegen, unabhängig davon, ob die Erde plötzlich stehen bliebe oder nicht!

    Was ist mit dem Impuls von Menschen und Objekten, die sich mit 1.600 km/h auf der Erdoberfläche mitbewegen? Antwort: Ein Auto, das mit 100 km/h fährt, kann für die Insassen in wenigen Sekunden komfortabel angehalten werden; etwas, das sich mit 1.600 km/h bewegt, könnte für die Passagiere in wenigen Minuten bequem zum Stoppen gebracht werden.

    Dieses Szenario erfordert nur, dass Gott die Rotation der Atmosphäre, der Ozeane und der Erde gleichzeitig verlangsamte, um jeden Flutwelleneffekt und jede Wärmeentwicklung innerhalb der Erde durch Reibung aus noch rotierenden Flüssigkeitsschichten des Erdkerns zu verhindern. Und nachdem der lange Tag vorbei war, musste der ganze Prozess wieder anlaufen.

    Es ist sicherlich nicht unmöglich, dass Gott all dies getan hat, obwohl es eine große Unterbrechung der natürlichen Ordnung der Dinge in Bezug auf die von Gott in 1. Mose 1 geschaffene Erde darstellt.

Fazit

Das Christentum ist eine Religion des Wunderbaren – von Gottes schöpferischem Handeln in  1. Mose 1 bis zu den wunderbaren Ereignissen in  Offenbarung 22. Die Bibel erklärt uns nicht, wie diese Dinge geschehen, sondern nur, dass Gott will, dass sie geschehen und es dann auch so passiert. Er kann ein bestehendes Naturgesetz (wie bei der Sintflut) nutzen (verstärken), oder jede Mitwirkung der Natur kann ausgeschlossen werden (wie bei der Auferstehung). Oft liegt der wundersame Effekt in der zeitlichen Abfolge der Naturereignisse (wie in Gottes Teilung des Roten Meeres durch einen starken Wind, der die ganze Nacht über wehte, siehe 2. Mose 14,21.)

Wunder basieren auf Zeugenaussagen, nicht auf wissenschaftlichen Analysen. Es ist zwar interessant zu spekulieren, wie Gott ein bestimmtes biblisches Wunder vollbracht haben könnte, einschließlich des langen Tages von Josua, aber letztendlich müssen diejenigen, die behaupten, Nachfolger Jesu Christi (der die göttliche Aufzeichnung der Bibel beglaubigt hat) zu sein, sie durch den Glauben akzeptieren.11 Es gibt keinen einzigen logischen, wissenschaftlichen Grund zu behaupten, dass Josuas langer Tag „nicht hätte geschehen können“, wenn es einen Gott gibt, der stark genug ist, ein Universum in sechs Tagen zu schaffen. Diejenigen, die sich gegen diesen Bericht sträuben, sind fast immer diejenigen, die die 6-Tage-Schöpfung durch Kompromisse mit den vermeintlich langen Zeitaltern der Evolution bereits abgelehnt und damit die Autorität der Bibel abgelehnt haben.

Referenzen und Hinweise

  1. Donald Patten, Ronald Hatch, Lorenc Steinhauer, The Long Day of Joshua and Six Other Catastrophies, Baker Book House, Michigan, 1973 geben als ungefähres Datum den 25. Oktober 1404 v. Chr. an. Andere Kommentatoren geben ein etwas anderes Datum an, z.B. C.A.L. Totten den 22. Juli 1443 v. Chr. Zurück zum Text.
  2. Das Buch Jaschar (oder des Rechtschaffenen, je nach Bibelübers., Anm. d. Übers.) war eine alte Sammlung von Gedichten, die zu Ehren der israelischen Führer geschrieben wurden (vgl. 2. Samuel 1,17-27). Josuas Worte an die Sonne (die scheinbar aus diesem Buch zitiert sind) sind in poetischer Form und werden so in den meisten modernen Bibelversionen gedruckt. Diese Verwendung von Lyrik hier macht eine wörtliche Interpretation des Ereignisses nicht ungültig, ebenso wenig wie jene Psalmen, die Ereignisse in Davids Leben beschreiben, die die Wörtlichkeit der Ereignisse, die sie poetisch darstellen, ungültig machen. Auf jeden Fall kehrt Vers 13b zur hebräischen Prosa zurück, um zu beschreiben, was als Antwort auf Josuas Gebet geschah. Zurück zum Text.
  3. Es wäre sinnlos gewesen, wenn Josua schon am frühen Morgen der Schlacht, mit noch einem ganzen Tag vor sich, für eine Verlängerung des Tageslichts gebetet hätte. Zurück zum Text.
  4. Immanuel Velikovsky, Worlds In Collision, Dell, New York, 1950, S. 61 Anmerkung 3. Siehe auch andere historische Referenzen zu langen Tagen oder Nächten in diesem Buch. Zurück zum Text.
  5. Anstatt zum Beispiel Hornissen zu benutzen (2. Mose 23,28) oder den Feind zu verwirren (2. Könige 7,6). Zurück zum Text.
  6. In diesem Zusammenhang schreibt Henry Morris: „Alle Bewegungen sind Relativbewegungen, und die Sonne ist im Raum nicht ‚fester‘ als die Erde. … Die wissenschaftlich korrekte Art, Bewegungen anzugeben, besteht daher darin, einen beliebigen Punkt mit angenommener Nullgeschwindigkeit auszuwählen und dann alle Geschwindigkeiten relativ zu diesem Punkt zu messen. Der geeignetste Punkt dabei ist derjenige, der dem Beobachter für die Zwecke seiner speziellen Berechnungen am bequemsten erscheint. Bei Bewegungen von Himmelskörpern ist in der Regel der am besten geeignete Punkt die Erdoberfläche auf dem Breiten- und Längengrad des Beobachters, und dies ist daher der ‚wissenschaftliche korrekteste‘ Punkt, der zu verwenden ist. David (Psalm 19,6) und Josua sind wissenschaftlicher als ihre Kritiker, wenn es darum geht, eine solche Konvention für ihre Erzählungen anzunehmen“ – Henry Morris mit Henry Morris III, Many Infallible Proofs: Practical and Useful Evidences for the Christian Faith, Master Books, Arizona, 1996, S. 253. Zurück zum Text.
  7. Siehe auch den Fragen-und-Antworten Teil Bible skeptics answered Q&A (supposed errors and contradictions refuted). Zurück zum Text.
  8. Siehe auch den Fragen-und-Antworten Teil Astronomy and Astrophysics Q&A. Zurück zum Text.
  9. Zum Beispiel John C. Whitcomb, Joshua's Long Day, Brethren Missionary Herald, 27. Juli 1963, S. 364-65. Zurück zum Text.
  10. Präzession: die Bewegung der Drehachse eines sich drehenden Körpers um eine Linie, die einen Winkel mit ihr bildet, um so einen Kegel zu beschreiben. Zurück zum Text.
  11. „Zu behaupten, dass ‚Wunder nicht geschehen können‘, ist keine wissenschaftliche Behauptung. Es ist eine Glaubenserklärung von genau der gleichen Qualität wie wenn ein Christ sagt, dass Jesus Wunder vollbracht hat.“ – Hugh Silvester, Miracles, Eerdmans Handbook to Christian Belief, Michigan, 1982, S. 90. Zurück zum Text.

Helpful Resources

15 Reasons to Take Genesis as History
by Dr Don Batten, Dr Jonathan D Sarfati
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